Ursula Krechel: Sehr geehrte Frau Ministerin
- Simon Gerhol
- 10. Aug.
- 1 Min. Lesezeit

Sprachlich gekonnte Übertragungen in starken Bilderfolgen, eine gewisse Verliebtheit in das Verb ›haben‹ zaubert der Text eine ansprechende Art von Stil hervor, geprägt von betonenden Wiederholungen, dabei gewandt und abwechslungsreich. Ein Spiel mit der Perspektive, das zur (Selbst-) Reflexion des erzählenden und des lesenden Bewusstseins einlädt. Die antike Mutter-Sohn-Beziehung ohne jede Erwähnung von Ödipus, und dann ist immer noch nicht alles gesagt, schraubt sich in die Gegenwart, die Erzählte beschwert sich bei der Erzählenden, alles delegiert an die Ministerin. Was habe denn die Verkäuferin, die Lateinlehrerin und besagte Politikerin gemeinsam? Die aus der Geschichte herbeigezauberten ›starken Frauen‹ wie Boudicca halten als Vergleich her. Die Protagonistinnen scheitern, müssen scheitern. Ermüdend lesen sich die Dutzende Seiten über Menstruationsproblem und Unterleibskrankheiten, der ich als Leser keine Metaebene abgewinnen kann. Eva und der Sohn, das Salz in der Suppe, das Delegieren an die Politik, ein zeitgemäßes Sitten- und Problemgemälde, ein Roman übers (weiblich Erzählen), virtuos, originell. Ein verdienter Büchnerpreis.
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