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Beatrice von Burgund mal anders

Dorothea von Choltitz: Beatrice von Burgund, 2020 Klotz Verlag


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Auf 540 S. das Leben der Ehefrau Friedrich Barbarossas (zehn Kinder!), aufgeklebtes Cover, aufgrund der Schwere (gutes dickes Papier) schnell abgestoßene Ecken.

Beatrice wächst bei ihrem Onkel auf, heiratet Friedrich I und zieht mit ihm nach Italien, gebiert eine Tochter und vertreibt sich ansonsten die Zeit mit Lesen, Sex in allen Varianten mit ihrem Ehemann und echauffiert sich zeitwiese über Grausamkeiten. Politik und Liebespiel in inniger Umarmung, letztlich ohne Konsequenzen, da außer vielleicht Beatrice alle anderen Figuren statisch angelegt sind. Selbst Beatrice wirkt neben „gut, schön, sympathisch“ irgendwann eben gerade dadurch langweilig, weil sie in ihrem inneren Konflikt zwar Kompensationstechniken entwickelt, aber nicht wirklich weiterkommt. Der Ansatz einer Einordnung als Entwicklungsroman scheint fragwürdig.

Die personale Erzählperspektive wird konsequent durchgehalten (Kompliment!) und tiefe sinnliche Erfahrungen erzeugen ein gut funktionierende Sympathielenkung, leider eben nur für Beatrice. Die anderen Figuren bleiben merkwürdig flach (statisch), einzig Mahout gelingt es etwas auszubrechen aus dem erzählerischen Korsett. Antagonist? Ist ihr Onkel tatsächlich nur gierig, notgeil und böse? Kanzler Dassel muss die antagonistische Last dann übernehmen, ein echter Konflikt bleibt aber aus.

Dass sich (obwohl üblich im Allgemeinen) bei der ersten Begegnung Beatrice und Friedrich die Hand geben wirkt a bisserl unrealistisch bei Hofe, was auch endlose Aufzählungen von Kleidern, Frisuren, Schmuck in der Bemühung um Authentizität, kaum abschwächen, da sie seltsam unpräzise bleiben.

Hinzu kommt beim sprachlichen Stil die eigenartige Mischung bemühter Vergleiche (Schmerz, hart wie eine Gartenmauer; stinkende Lichtpfeile; stöhnende Gedärme [der Besitzer der Gedärme stöhnt]; S. 214: stinkende Einsamkeit, kalt, grau und schwer [keiner der drei Adjektivitis-Begriffe hat etwas Olfaktorisches]) und gelungener Metaphern (unklare Luft der Erinnerungen). Teils gelungene poetische Passagen (S.88) bleiben leider meist zusammenhangslos zur Handlung oder Metaebene des Textes. Z.B. reflektiert Beatrice nach einem Sturz vom Pferd über die geschichtlichen Beziehungen zweier Familien: nötiges Frame-Setting an unpassender Stelle.

Zum Lektorat und Korrektorat muss ich aber noch was Handwerkliches loswerden:

Liste der Faux Pas (Auszüge):

S. 200: Als die drei Frauen … im Zelt platzgenommen hatten -> S.201 zu den drei Frauen: „Kommt doch herein!“ Hm, ein gutes Lektorat fängt sowas ab. Offensichtlich treten die unterschiedlichen Textschichten aus den verschiedenen Überarbeitungsversionen hier zutage. Man merkts an doppelten Wörtern, ihn / ihm usw., ebenso durch zahlreich fehlende Punkte oder fehlende, teils sogar falsche m’s und n’s die Dativ und Genetiv wild durcheinanderwirbeln (S. 266 ‚… hinter ihn ihm stehen…‘).

S.265 u.a.: ‚gezuckerter Brei‘ Zuckerrüben kommen erst im 17 Jhr. auf. Was meint man: Honig, Früchte?

Bsp.: S. 8: ‚Troubadoure, herrliche Geschöpfe des Lachens ihrer Mutter…‘ statt ‚Schöpfer‘, denn so wird ja Aktiv und Passiv vertauscht und die Bedeutung entstellt.

Anachronistische Ungenauigkeiten und andere Merkwürdigkeiten:

Man geht sich ‚auf die Nerven‘ anno 1155 (S. 453), hm, …

Singen Amseln des morgens am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, also im November / 1. Advent)? Das klappt leider nur im Frühjahr zur Balz.

Heinrich II Jasomirgott tritt mit diesem Namen auf, jenen Beinamen erhielt er aber erst posthum 50 bis 100 Jahre später.

Barchent (S. 120) kommt erst ca. 100 Jahre später (im 14. Jhr.) auf, innovative Mode eben, o.k. na gut… u.s.w. u.fs.f.

Mit einer gründlicheren Überarbeitung und Kontrolle hätte der Text viel mehr hergegeben, insbesondere mit etwas zeitlicher Straffung in die zahlreichen Geburten der Frau hinein, die Rolle der Frau als Metaebene. Schade: 2.5/5 Sternen, man fällt schlicht zu  oft aufgrund der Ungenauigkeiten raus.

 
 
 

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