Es ist Zeit zu Erinnern, insbesondere in einem Wahljahr, insbesondere mit einer Stimme aus Italien, denn die Aufarbeitung ist nicht unser Privileg, so soll der Autor selbst zu Wort kommen.
S. 107: Intoleranz neigt zur Zensur und […] fördert die Unkenntnis anderer Meinungen und daher wiederum die Intoleranz: ein Teufelskreis […].
S. 127: In einem totalitären Regime treffen Erziehung, Propaganda und Information auf keinerlei Hindernisse: Sie verfügen über eine grenzenlose Macht, von der sich jemand, der in einem pluralistischen System aufgewachsen ist, nur schwer eine Vorstellung machen kann.
S.174: Man muss sich vor der besserwisserischen Einsicht des Nachhineins und vor den Gemeinplätzen in acht nehmen […], vor dem Fehler hüten, ferne Epochen und Orte nach dem Massstab zu beurteilen, der hier und heute Gültigkeit hat: ein Fehler, der um so Scherer vermeidbar ist, als die Entfernung in Raum und Zeit zunimmt.
Und trotzdem gilt:
S.11: ›die nicht erfolgte Verbreitung der Wahrheit über die Konzentrationslager [ist] eine schwerwiegende Kollektivschuld des deutschen Volkes.‹
Die Aufarbeitung unserer Geschichte haben wir schon immer gerne anderen Überlassen, was uns nicht daran hindert moralisch darüber zu urteilen.
S. 214: Es hast sich gegen jede Vorhersage ereignet, es hat sich in Europa ereignet, […], dass ein ganzes zivilisiertes Volk, das die schöpferische kulturelle Blüte der Weimarer Zeit gerade hinter sich gelassen hatte, einem Hanswurst folgte […]. […] [viele] warten nur auf den neuen Hanswurst (an Kandidaten fehlt es nicht), der die Gewalttätigkeit organisiert, sie legalisiert, sie als notwendig und geboten erklärt und die Welt vergiftet.
S. 39: Der Aufstieg […] der Privilegierten ist […] beängstigendes, aber unabänderliches Phänomen: Sie fehlen nur in Utopien. Es ist die Aufgabe eines jeden […], jedem auf keinerlei Verdienst beruhenden Privileg, den Kampf anzusagen […] einen Kampf ohne Ende.
Hat damit nicht Primo Levi alles über das Erinnern erzählt, als er kund tat, es sei nicht alles in Stein gemeisselt, Opfer und Täter jedoch nicht austauschbar und trotzdem in ihren Traumata miteinander verbunden. Alles Sagenswerte über das Erinnern, jenseits von Schuld und Sühne, eine Stimme in einem bestechenden Stil, die heute mehr denn je gehört werden muss, nein erschallen soll!
Und bald hier die Rezession eines ›Primo Levi‹ in Romanform, Premiere auf der Frankfurter Buchmesse.
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