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Apropos Schreiben

Eine Anregung für einen Gedankenaustausch über die Ferien (ich selbst schaue in jedem Falle ab und zu rein, ansonsten bin ich mal einige Wochen abstinent: Kommentare unter den Beiträgen bzw. www.facebook.com/simongerhol68)





Musik und die Allzeitverfügbarkeit über Streaming-Dienste mit Abonnement ›all you can hear‹ versetzt durch abwertende Konsumorientierung der künstlerischen Leistung mittels Vermassung vielen Musiker und Bands den Todesstoß. Trotz der vorgegaukelten Reichweitenerhöhung mittels ›Social Media‹, die ja keine Massenmedien sind und solange kein Schneeballeffekt entsteht, wirkungslos bleiben (und ihr Geld verdienen), versinkt jegliche Komposition in einem Meer an Konkurrenz. Denn die post-neoliberale Vermassung der Konsumobjekte beinhaltet dem Grundbedürfnis Kreativität ein Ventil zu verschaffen, dem das kindliche Selbst in auf der Suche nach Zuneigung und Anerkennung ein Fundament schafft.

In der schreibenden Welt ergeht es den Lesern nicht anders: Hörbücher unterliegen bereits besagtem Phänomen. Hinzu treten Ebook-Reader und die digitale Verfügbarkeit bei einem Überangebot an Texten, die aus der Welt der Lyrik in die Prosa schwappt und ›den Markt‹ als solches inhaltlich um Lieberhaberobjekt degradiert. Durch die Verfügbarkeit von Wissen, den Sekundärmarkt der Schreibausbildung ist die Qualität der Texte im Durchschnitt ziemlich gut geworden, sprachliche oder dramaturgisch-literarische Entscheidungskriterien bei der Auswahl treten in den Hintergrund, da die Wahrnehmungsschwelle durch Marketing bestimmt wird, nicht durch Inhalte. Echoblasen und Filterkammen verstärken die Rezeption des eigenen Geschmacks und stärken das Ego.

Wozu dann schreiben?

Legen wir Zeugnis ab? Unterhalten wir? (Kann es nach Adorno noch unpolitische Unterhaltung geben?) Wenn wir schreiben, was die Leute gerne lesen, wirken wir verstärkend: Dystopien, Krimis, Thriller, Fantasy, am besten in erster Person Präsens; Kulturindustrie (schon wieder Adorno, sorry)! Das Karussell der vor der Popkultur im Kreise flüchtenden Avantgarde dreht sich und wenn wir schreiben, was sich gut verkauft, tragen wir zum Niedergang bei. Auf der Suche nach Anerkennung legt das Echo der Hybris des Narziss einen Nebelschleier über jegliche Ambitionen, über den Schrei nach Aufmerksamkeit, der verklingt in den für Buchseiten gefällten Wäldern.

Lyrisch-poetische DichterInnen kanalisieren ihre Libido entsprechend. Autoren mit einem gepflegten Sexualleben siedeln eher im Sachbuchbereich. Bleibt der Übergangsbereich… Da wurde mir klar, Schriftstellerei bedeutet nur, die unsichtbare Verbindung zwischen den Dingen wahrzunehmen und zu benennen. Die Geschichte der Gruppe 47 lehrte vor allem wie Programmatik verblendet, siehe Thelen, Richter und die Blechtrommel. Ihr Einfluss nährte sich aus ihrer Selbstüberschätzung. Bis heute hat sich wenig geändert im Karussell der Worte.

Bleibt Zeugnis abzulegen und sonst nichts?


Deshalb die einfache Frage mit der Hoffnung auf viel faire Diskussion: Warum schreiben wir?

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