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Juli 2018: An Hollywood

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

liebe Hollywood-Regiseurinnen und -Regisseure, liebe Produzentinnen und Produzenten,

 

durch ihre großartigen und mit beträchtlichem Budget in Szene gesetzten Trailer bin ich auf Ihre Filme aufmerksam geworden und möchte mich nach dem Konsum selbiger bei Ihnen als Drehbuchlektorin bewerben, da ja kampagnenbedingt Stellen frei sind.

 

Die rauchenden, whiskey-schlürfenden Helden sind verschwunden oder zu vegan ernährten, durchtrainierten Cyborgs mit austauschbarem Gehirn mutiert. Die Leinwände dominiert von konsumfreudigen und angepassten Protagonist-innen, die als ausgediente Vorkämpfer immer langsamer sterben.

Ich bin eine schnelle und furiose Wunderfrau, kann Fledermaustransgendern, bin unabhängig von der Größe der Besetzungscouch einsetzbar und möchte zum Revival der Stringenz im Filmgehirn ein paar Ideen beitragen.

Eine schiwago’sche Kur tut not, bevor alle von Außerirdischen ausgesaugt werden, denn die Überwindung der Furcht des weißen Mittelklassemannes vor Migration muss nicht zwangsläufig mit dem Sieg kapitalimperialistischer Werte enden. Die Suche der romantisch-unterdrückten Konsum-Style-Frau nach ein bisschen Verständnis und Liebe kann kaum mit ben-huren gelingen, eher mittels titanicken, besser noch durch dreckiges Tanzen.

Der von Ihnen propagierte ewige Kampf zwischen Gut und Böse lebt vom Faschismus. Aber warum sind die Protagonisten nicht gleich mit den Adlern zum Schicksalberg geflogen, um den Ring zu vernichten? Besagtes Streben nach Weltherrschaft motiviert noch lange nicht das Handeln einzelner Personen, die sich insgeheim nach einer starken Hand sehnen.

Ich rede nicht von Sinn und Botschaft, sondern von Logik im Kampf der Agenten für ihre Weltanschauungen: Aus Stürzen, Schlägen u.v.a.m. folgen Verletzungen. Man steht nicht einfach nach kurzem Stöhnen auf. Selbst in Ihrer Traumfabrik herrscht dieselbe Physik, insbesondere bei lautlosen Explosionen im All gefrieren menschliche Körper. ›Deus ex Machina‹ – nein, einfacher: Bitte sparen sie etwas Pathos ein.

Die frisch gekämmten Frisuren, der Lidschatten, der Lippenstift, die Perfektion direkt nach jeder Attacke müsste geringfügig überarbeitet werden. Auch Rettungsaktionen im All und auf der Erde sind in der von Ihnen gewählten Dramatik kaum zu überbieten, die Realitätsferne kaum mehr steigerbar: Lasst es einfach! Oder Szenenvorschlag:

Als der Faustschlag den Helden trifft, stürzt er über ein Kinderspielzeug, welches die MP des zweiten Gangsters auslöst und alle Bösewichte ausschaltet. Aber im Stolpern fällt der Held aus dem Fenster… Schnitt:

Er sitzt beim Frühstück. Es stellt sich am Ende heraus, das Publikum hat nur das Aufräumen des Butlers verpasst, nachdem der Protagonist direkt ins Buffet fiel. Wenn Sie meinen, dies sei auch schon alles da gewesen, WARUM ZUM TEUFEL VERFILMEN SIE DANN ANDAUERN SO ’NEN BOCKMIST?

 

Es ist ja nicht so, dass sie seit Citizen Cane alles falsch gemacht hätten, noch die technische Federführung abgegeben, insbesondere anonym – ousen beweist, dass sich Anspruch auch mit T(h)rash verträgt. Natürlich kann ein Bradbury nicht immer einen Ahab sinnvoll fluchen lassen, aber in Schinderlisten und anderen Holocaustthemen übernehmen sie ja auch Verantwortung, von kleinen Detailfehlern und Anachronismen mal abgesehen. Sie können ja hochgeschwindigkeits-tranformen. Reißen sie das Ruder herum! Oder wollen Sie, dass das anspruchsvolle Hollywoodkino zum Oxymoron verkommt? Matrizenrechnung beherrschen schließlich sogar ihre Hinterwäldler!

 

Das Fehlen von Werten und Inhalten begünstigt das Aufkeimen jeglichen Populismus in der rein kapitalfaschistischen Postmoderne, was die Inhalts- und Wertelosigkeit der populären Kunst beweist. Der historische Realismus in Film und Literatur dient zuvorderst der Verschleierung der wahren gesellschaftlichen Ursachen sozialer Ungerechtigkeiten: Ablenkung durch Romantisierung!

 

Ich bin mir darüber im Klaren, dass jedwede Filmkritik dem bereits bei der Produktion verübten Unrecht nicht gerecht wird – mi-mi-mi-two -- , insofern sie nur Kritik an einer Ideologie ist und somit selbst zur Ideologie verkommt – und in der Verflechtung von Kritik und Kommerz stehen bleibt.

 

Doch treibt Ihr Tun jeden Geist in die Arme des Populismus, da sich dringend benötigte gesellschaftliche Kräfte snobistisch abwenden, um dem Imperativ der kulturellen Hochwertigkeit zu huldigen, anstatt Inhalte den Menschen zugänglich zu machen.

 

Geben Sie nicht die Erfüllungsgehilfen, um die Hybris der Ideologie als alternativlos zu inthronisieren! Ich habe auch schon Ihren Werbeslogan der Zukunft:

 

TAUSCHE BESETZUNGSCOUCH GEGEN ANALYSECOUCH!

›Rabattaktion für Eskapismus-Narzissten inklusive!‹

 

Kompliment, dieselbe Geschichte mehrfach zu verkaufen zeugt von einer hoch entwickelten und gut funktionierenden Marketingmaschinerie, die dem Verharren in der Komfortzone dient. Aber ist Umsatz wirklich alles? Bereits seit Faust 2, oder Wallenstein Teil 3 wissen wir, dass Serien zu nichts taugen. Vielleicht taugt ›Hamlet, der zweite Teil‹ als Blockbuster? Ich empfehle, die Toten am ersten Teil als Zombies wieder in die Handlung integrieren, mittels eines Piratenfluchs ja kein Problem.

Dito erliegen Ihre Autoren der Versuchung zu erzählen, anstatt zu aufzuzeigen, was langatmige Passagen seltsamer Geschichten ausgedienter Helden nach sich zieht, womit wir beim Klischee anlangen.

 

Dass Sie alle 20 Jahre, für jede Generation sozusagen passend, Neuverfilmungen produzieren mag man übersehen, da jedoch die Geschichten geradezu mumifiziert daherfliegen, erübrigt sich jeglicher Vorwurf intellektueller Piraterie. Das ›Dracula‹ gerade im viktorianischen Zeitalter das Licht der Welt, korrigiere – das Dunkel-Verdrängte der Seele erblickte, ist ja kein Zufall. Jedoch die heutige Jugend ob Ihrer unterdrückten Wünsche, ›Biss‹ zum Morgengrauen zu quälen, um dann doch nichts zu zeigen, grenzt an Sadismus, auch erzeugt fünfzigfache Beschattung eben nur grau. Wobei wir, nebenbei bemerkt, zwecks Verdrängung wieder beim Faschismus sind, ein Ventil braucht er ja… schließlich sehnt sich das Individuum stets nach einer letzten Ordnung, und sei sie noch so schnell und furios.

Insbesondere die Darstellung des heldenhaften Militärapparats ist zu ›Van-Dammen‹, es fehlt ja nur ein echter Feind, dann können sie alles avatarisieren.

 

Ist Ihnen aufgefallen, dass frühere Drehbücher nur einen Autor hatten, nicht zwei oder drei oder mehr wie heutzutage? Einer hat ja genug zu tun, den eigenen Verstand zusammenzuhalten. Wie erst in einem Team? Ich will keine Namen nennen von – Stieren, die nicht genannt werden wollen.

Vielleicht kommen davon ja vielleicht die unmotivierten Handlungssprünge? Vor knapp 50 Jahren hat man die Teleportation im Film erfunden, was jedoch nicht das beliebige enterprisen von Personen und Gegenständen zur Fortsetzung der Handlung erlaubt, insbesondere nicht ohne Teleportationseinrichtung. Ich vermute als Ursache eine Umweltbelastung der Urheber aufgrund zu starker Bildschirmstrahlung, was zu einer Gehirnverkümmerung der logischen Bereiche im Kortex führt, insbesondere bei extensiver Computerarbeit zur Erstellung von Animationen.

Im Übrigen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass der Einsatz besagter ›Plot Holes‹ zur Aneinanderreihung von Höhepunkten, jedweden Spannungsbogen ›killed‹.

Des Weiteren bekommt man Lust, den Schauspielern aufgrund der von Ihnen geäußerten Trivialitäten das Maul zu stopfen, verständlich ausgedrückt, die Darsteller zu ›verhulken‹, da ihre Worte sowieso vom Winde verweht werden. Die Leinwand unseres Kinos weißt Spuren von zweckentfremdeten Wurfgeschoßen auf.

Das bringt mich zur Dialogkonstruktion, was aber den Umfang dieses Schreibens sprengen würde. Bei Interesse sende ich Ihnen gerne mein Manifest zu post-postmodernen Formen mit und ohne Inhalt zu.

 

Gewohnt ohne Team zu arbeiten, wird es mir ein Leichtes sein, die Auffassungsgabe Ihrer Drehbuchautoren zu verbessern, oder selbige bei Bedarf auf den Mond zu schießen, benötigte Unternehmen liegen ja um die Ecke. So kann ich gewiss konstruktiv zur Verbesserung Ihrer Produkte beitragen.

 

Die Missachtung des gesunden Menschenverstands durch Ihre Zuarbeiter interessiert mich nur peripher, daher bitte ich Sie, die etwaig in meinem Schreiben enthaltenen Reste an Moralität einfach zu ignorieren, was ja nicht allzuschwer fallen dürfte. Ich kann Ihnen versichern: Auch mir geht es nur ums Geld!

Gerade deswegen glaube ich, mich besonders gut für die vorgeschlagene Stelle zu eignen, und hoffe auf baldige, positive Nachricht, ihrerseits Einsicht in den Handlungsbedarf betreff obiger Themen annehmend.

Bekanntlich stirbt ja die Hoffnung zuletzt und so verbleibe ich mit freundlichen Grüßen.

 

 

Simone Gerhol

 

Post Scriptum:

Bitte sprengen Sie das Weiße Haus im nächsten Film erst – wenn er zuhause ist!

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